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Ein junger Mann sitzt auf dem Boden vor seinem Computer
© Zacharie Scheurer/dpa-tmn
Vergleichen gehört zur menschlichen Natur. Problematisch wird es, wenn Vergleiche zur Selbstabwertung führen.
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Raus aus der Vergleichsspirale: Wege zu mehr Selbstwert

Überall lauern Vergleiche – mit erfolgreicheren, schlankeren, glücklicheren Leben. Doch der ständige Blick auf andere macht uns unglücklich. Wie entkommt man dieser Vergleichsfalle?

Veröffentlicht: Dienstag, 30.12.2025 23:05

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Mit anderen messen

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Berlin/Dießen (dpa/tmn) - Im Job, im Privatleben, in der Familie: Man wird nicht nur von außen verglichen, sondern rutscht oft selbst schnell in die Vergleichsfalle. Nahezu jeder und jede kennt Gedanken wie: Die ehemalige Kommilitonin ist schon viel erfolgreicher als ich. Der Vater aus der Elterngruppe ist immer viel entspannter. Oder: das befreundete Pärchen macht viel öfter Urlaub - und streitet nie!

Im Arbeitsalltag mögen Vergleiche noch motivieren, doch je intensiver man sich misst, desto stärker bröckeln Selbstwert und Zufriedenheit. Mit Social Media wächst das Vergleichspotenzial ins Unendliche. 

Dabei ist es das Verhalten an sich nichts Ungewöhnliches: «Sich zu vergleichen gehört zu unserer menschlichen Natur. Das beginnt schon im Kindesalter», sagt die Psychologin Sonia Jaeger. Schon in der Schule werden Leistungen eingeordnet und Entwicklungsstände verglichen. Ein Muster, das sich durch das gesamte Leben zieht.

Und das ist erst einmal etwas Gutes: Kinder lernen vor allem dadurch, dass sie sehen, wie andere etwas machen, wie Elisabeth Dallüge, stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), beschreibt. Im Beobachten finden sie Orientierung und das Gefühl, dazuzugehören. «Vergleiche sind damit zunächst kein Urteil über uns, sondern ein Austausch mit der Außenwelt», so Dallüge. Erst wenn man dem Gesehenen eine Wertung gibt, entsteht ein echter Vergleich.

Wann Vergleichen negative Folgen hat 

Wichtig ist dabei: «Vergleiche dürfen uns bewegen, aber sie dürfen uns nicht beherrschen», so Dallüge. Solange sie motivieren – etwa beim Joggen mit einer schnelleren Läuferin – sind sie unproblematisch. Denn grundsätzlich sucht jeder Mensch nach Vorbildern und Idealen.

Problematisch wird es laut Dallüge, wenn Orientierung in Selbstabwertung kippt und man anfängt, Erwartungen von außen zu erfüllen, statt den eigenen Wünschen zu folgen. Der Stress entsteht weniger durch den Vergleich selbst als durch die Bedeutung, die man ihm gibt. Besonders verletzlich ist man, wenn der innere Halt schwach ist. Wird der Vergleich zum Maßstab für den eigenen Wert, gerät man laut Dallüge leicht unter Druck.

Außerdem vergleicht man sich Psychologin Sonia Jaeger zufolge meist «nach oben», mit scheinbar erfolgreicheren Menschen, selten nach unten oder zur Seite. So entsteht schnell das Gefühl, hinterherzuhinken - egal, wie viel man leistet. Das Problem liegt weniger darin, schlechter abzuschneiden, sondern darin, wer der Maßstab ist. Wer sich ständig «nicht genug» fühlt, läuft Gefahr, in eine Spirale aus sinkendem Selbstwert, Unzufriedenheit und Rückzug zu geraten, so Jaeger.

Soziale Netzwerke wie Instagram, Tiktok und Co. können das verstärken. Dort sieht man häufig inszenierte Momentaufnahmen. Dass diese kaum die Realität widerspiegeln, gerät laut Jaeger oft in Vergessenheit und erhöht den Druck. «Schnell entsteht der Eindruck, dass alle anderen schöner, glücklicher, erfolgreicher oder zufriedener sind als wir selbst.»

Welche Strategien aus der Vergleichsfalle helfen

Wer merkt, dass er oder sie zum ständigen Vergleichen tendiert und dadurch negative Gefühle hat, kann gegensteuern. «Um unser Verhalten verändern zu können, müssen wir uns dessen aber zunächst einmal wirklich bewusst werden», so Jaeger. Entscheidend ist, sich selbst zu beobachten: Wann vergleichen wir uns, wann fühlen wir uns motiviert, wann belastet? Erst wer diese Muster erkennt, kann sie bewusst durchbrechen.

Hilfreich ist laut Jaeger, sich immer wieder klarzumachen, dass vieles, was wir online oder in Medien sehen, nur ein sorgfältig inszenierter Ausschnitt ist. Gerade Social Media setzt oft unrealistische Maßstäbe. Wer diese Mechanismen versteht, gewinnt Abstand – und einen freundlicheren, realistischeren Blick auf das eigene Leben, so Jaeger.

Ein klassischer Ansatz ist laut Dallüge auch die sogenannte Stimuluskontrolle: Auslöser vermeiden, etwa den Medienkonsum reduzieren. «Handy aus» hilft kurzfristig, schaltet aber nicht den Kopf aus. Wichtiger ist, bewusst zu beobachten: «Wie viel Zeit verbringen wir online? Wem folgen wir? Welche Vergleiche treffen uns wirklich?»

Viele Mechanismen, die uns in den sozialen Medien begegnen, unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen in unserem realen sozialen Umfeld. Schon in der Familie gibt es Normen und man vergleicht sich, etwa durch Leistungsansprüche der Eltern. Wichtig ist, innere Stabilität zu entwickeln: «Zu erkennen, dass man auch anders sein darf, ohne dass dies die eigene Wertigkeit mindert», so Dallüge.

Entscheidend ist, zu erkennen, welcher Vergleich welche Gefühle auslöst und ob Ziele von außen vorgegeben oder unsere eigenen Wünsche widerspiegeln. Auch der Austausch mit anderen kann laut Dallüge helfen, Schwächen zu normalisieren und Druck zu relativieren.

Mit radikaler Akzeptanz zu mehr Selbstwert

Statt sich an äußeren Maßstäben zu messen, ist es Jaeger zufolge hilfreicher zu fragen: Was will ich wirklich, was ist mir wichtig und wie kann ich das erreichen? Ziele, die den eigenen Werten entsprechen und nicht dem Social-Media-Trend folgen, sind realistischer und machen zufriedener.

Grundsätzlich beginnt es mit radikaler Akzeptanz: Es wird immer Menschen geben, die größer, schöner, reicher oder schlauer sind. «Da, wo wir unseren eigenen Kompass ernst nehmen, da fängt auch ein stabiler Selbstwert an», so Dallüge. Darauf aufbauend entsteht Selbstvertrauen, sich an den eigenen Maßstäben zu orientieren.

Hilfreich ist laut Sonia Jaeger, bewusst zu reflektieren, welche Erfahrungen, Stärken und Schritte den eigenen Weg geprägt haben. Hier kann etwa ein Dankbarkeitstagebuch helfen. Erfolg sieht für jeden anders aus, Entwicklung verläuft selten linear. Und nicht zuletzt: «Perfekt zu sein ist weder realistisch noch notwendig», sagt die Psychologin. Dieses Bewusstsein nehme Druck und schaffe Raum für Selbstmitgefühl und Authentizität.

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© dpa-infocom, dpa:251230-930-482334/1
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